Nationales Personenverkehrsmodell
Wie entwickelt sich der Verkehr in der Schweiz? Wie stark werden Strassen und Züge ausgelastet sein? Mit welchen Verkehrsmitteln sind wir künftig unterwegs? Solche Fragen beantworten wir mit Verkehrsszenarien. Und die Szenarien berechnen wir mithilfe des nationalen Personenverkehrsmodells (NPVM). Mit diesem Modell bilden wir das Mobilitätsverhalten der Schweizer Bevölkerung ab.
Einführung
Das NPVM ist ein Baukasten, mit dem Bewegungen simuliert werden können: Wie wir täglich mit der Bahn unterwegs sind, das Auto zur Arbeit nehmen oder zu Fuss einkaufen gehen. Unsere Ziele, Fahrtzwecke, Verkehrsmittel und Wege fliessen in das Modell ein. Das Modell rekonstruiert so die tägliche Mobilität der Schweizer Wohnbevölkerung. Sein Nutzen liegt vor allem darin, künftige Entwicklungen des Verkehrs möglichst realistisch abzuschätzen. Auf dieser Website gibt es Informationen darüber, wie das Modell gebaut ist, über die Verkehrszonen, das Verkehrsangebot und die Verkehrsnachfrage sowie über die Kalibrierung und Belastungen der Verkehrsnetze.
Das NPVM wird von der Geschäftsstelle Verkehrsmodellierung des UVEK (VM-UVEK) geführt, um die Raum- und Verkehrsplanung des Bundes sowie der Kantone und Städte zu unterstützen. Mithilfe des NPVM können sie analysieren, wie sich Veränderungen im Mobilitätssystem auswirken, etwa die folgenden:
- eine Umfahrungstrasse wird gebaut oder der ÖV-Takt zwischen zwei Städten erhöht,
- die Bevölkerungsanzahl wächst, Wohnquartiere werden verdichtet und neue Arbeitsplätze angesiedelt,
- die Anzahl Haushalte ohne Autos steigt, die Erwerbsbevölkerung arbeitet vermehrt im Homeoffice oder die Preise für Mobilität steigen.
Die oben beschriebenen Veränderungen können einzeln oder kombiniert mittels NPVM in Szenarien analysiert werden. Das ARE definiert im Rahmen der Schweizerischen Verkehrsperspektiven Szenarien für die nächsten Jahrzehnte und berechnet, wie sich beispielsweise die Verkehrsflüsse und der Modal-Split entwickeln. Aufgrund der Resultate planen die Bundesämter für Strassen (ASTRA) und Verkehr (BAV) den Ausbau der Nationalstrassen und der Schieneninfrastruktur in den Strategischen Entwicklungsprogrammen (STEP). Auch die Bundesämter für Umwelt (BAFU) und Energie (BFE) nutzen die Berechnungen.
Dank dem hohen geografischen Detailgrad können auch Kantone oder Agglomerationen das NPVM einsetzen – ergänzend zu kantonalen Verkehrsmodellen. Das Modell kann kleinräumige, beispielsweise kantonale oder städtische, Verkehrsmodelle indes nicht ersetzen. Letztere haben einen höheren Detaillierungsgrad und sollten bei Analysen auf lokaler Ebene, etwa bei einem veränderten Temporegime oder einem erweiterten Tramnetz, verwendet werden.
Die wichtigsten Änderungen gegenüber dem NPVM 2017 sind:
- das E-Bike wurde als eigenes Verkehrsmittel modelliert,
- das neue NPVM kann abbilden, dass die Nachfrage im ÖV je nach Zweck zeitlich ungleich verteilt ist,
- die Belastungen innerhalb der Verkehrszonen sind durch mehr Anbindungen feiner verteilt (siehe unten «Angebot»),
- die Rechenzeit wurde reduziert.
Mit dem NPVM 2023 steht ein Modell zur Verfügung, das auf internationalen Standards der Verkehrsmodellierung, den aktuellsten Daten und den heute zur Verfügung stehenden Rechenleistungen basiert. Das Modell sowie ausgewählte Ergebnisse, beispielsweise Reisezeiten und Distanzen zwischen allen Verkehrszonen, stehen als Open Data zur Verfügung.
Modellstruktur
Das NPVM bildet das Mobilitätsverhalten der Schweizer Bevölkerung ab, indem es die Wechselwirkungen zwischen Verkehrsnachfrage und Verkehrsangebot in der Schweiz simuliert. Es ist ein makroskopisches Verkehrsmodell, das heisst, es fusst auf Bevölkerungsgruppen (und nicht auf Individuen/Agenten).
Wie rekonstruiert das NPVM die Verkehrsnachfrage? Es fusst auf den drei Schritten des EVA-Ansatzes – Erzeugung, Verteilung, Aufteilung – und dem vierten Schritt, der Routen- und Verbindungswahl, der sogenannten Umlegung (siehe Grafik «Aufbau des NVPM»):
- Erzeugung: Wie viele Fahrten finden statt? Das NPVM berechnet, basierend auf Bevölkerungs- und Wirtschaftsdaten pro Verkehrszone, die Anzahl Fahrten, die in die Verkehrszone hinein- und aus der Zone herausführen. Die Daten stammen aus der synthetischen Population (siehe unten «Personengruppen und Fahrtzwecke»). Die Anzahl der Wege pro Person wurde für jeden Fahrtzweck aus dem Mikrozensus Mobilität und Verkehr hergeleitet.
- Verteilung (Zielwahl): Wohin führen die Fahrten? Das NPVM berechnet die Ziele, indem es Reisezeiten, Arbeitsplätze, Schulstandorte, Einkaufs- oder Freizeiteinrichtungen berücksichtigt.
- Aufteilung (Verkehrsmittelwahl): Welches Verkehrsmittel wird verwendet? Zusammen mit dem Ziel wählt das Modell auch das Verkehrsmittel. Die Vorlieben der Bevölkerung, die für die Verkehrsmittelwahl relevant sind, wurden mit der Stated-Preference-Befragung erhoben.
- Umlegung (Routen- und Verbindungswahl): Welche Strasse oder welcher Zug wird genutzt? Für ÖV-Wege sucht das NPVM Verbindungen im Fahrplan, für Auto- und Velofahrten Routen im Strassen- und Velonetz.
Aufbau des NVPM
Die Entscheidungen zur Ziel- und Verkehrsmittelwahl hängen unter anderem von der Auslastung des Netzes ab. Umgekehrt hängt die Auslastung von diesen Entscheidungen ab. Um diesen gegenseitigen Abhängigkeiten gerecht zu werden, verwenden wir einen iterativen Ansatz. So finden zwischen den Schritten 2 und 3 (Ziel- und Verkehrsmittelwahl) und 4 (Umlegung) mehrere Rückkopplungen statt, bis ein Gleichgewicht eintritt. Ein Gleichgewicht ist erreicht, wenn kaum noch Änderungen bei der Wahl von Zielen (Schritt 2) und Verkehrsmitteln (Schritt 3) festzustellen sind, weil die Belastungen im Strassennetz und damit die Reisezeiten stabil bleiben.
Die Anzahl Wege pro Person und Zweck wird für Personengruppen (siehe unten «Personengruppen und Fahrtzwecke») vorgegeben, ebenso die Mobilitätswerkzeuge (Abos, Fahrzeuge, Führerschein), die einer Person zur Verfügung stehen. Diese Vorgaben beruhen auf dem Mikrozensus Mobilität und Verkehr (MZMV).
Für mehr Informationen dazu, siehe den Schlussbericht des NPVM 2017.
Verkehrszonen
Das NPVM arbeitet mit rund 8000 Verkehrszonen, die je etwa 1600 Einwohnerinnen und Einwohner und/oder Arbeitsplätze enthalten. Die Verkehrszonen beruhen auf den Gemeindegrenzen von 2010 und sind in dicht besiedelten Gebieten oder grossen Gemeinden weiter unterteilt. In diesen Fällen wurden die Grenzen durch geografisch trennende Elemente definiert: Schienen- und Strasseninfrastrukturen sowie stehende und fliessende Gewässer.
Das NPVM bildet auch 710 Verkehrszonen im Ausland ab. Liechtenstein sowie Enklaven werden als Teil des Schweizer Modellraums behandelt. Im Grundsatz nimmt mit zunehmender Entfernung zur Schweiz die Grösse der Verkehrszonen im Ausland zu und der Detailgrad der Modellierung ab. Verkehrszonen in den Nachbarländern sind kleiner und somit detaillierter, wenn sie auf Verkehrsachsen mit Bezug zur Schweiz oder entsprechenden Alternativrouten für den internationalen Verkehr liegen. Die Verkehrszonen umfassen daher nach Osten und Westen alle Alpenübergänge in Frankreich und Österreich. In den Agglomerationen Genf, Basel sowie im Tessin sorgen Grenzgängerinnen und Grenzgänger für ein hohes Verkehrsaufkommen. Das NPVM übernimmt in diesen Fällen die Zonenstruktur aus den kantonalen Modellen.
Interaktive Karte der Verkehrszonen
Mehr dazu im Bericht «NPVM 2017: Zonenstruktur und Verkehrsnetze».
Personengruppen und Fahrtzwecke
Bei der Erstellung des NPVM haben Modellexperten Mobilitätsdaten ausgewertet und Verhaltensmuster identifiziert. Damit können sie Personengruppen und Verkehrszwecke unterscheiden.
Das Verkehrsverhalten der Bevölkerung variiert nach Alter sowie Erwerbsstatus und ob die Personen ein Auto oder ein ÖV-Abo zur Verfügung haben. Dem trägt das NPVM Rechnung, indem es die Bevölkerung in Personengruppen zusammenfasst, die sich ähnlich verhalten. So entstehen über hundert Gruppen, etwa die Gruppe von 25-44-jährigen Erwerbstätigen, die kein Auto besitzen, dafür ein ÖV-Abo. Für jede dieser Gruppen arbeitet das NPVM mit unterschiedlichen Verhaltensmustern, etwa die mittlere Anzahl an Wegen, die sie zur Arbeit, zum Einkaufen oder zur Begleitung anderer Personen pro Tag zurücklegen.
Wege nach Zweck
Die Grafik zeigt den Anteil der Wege pro Zweck an Werktagen (in Prozent). Die soziodemografischen Merkmale (Altersgruppe etc.) lassen sich beliebig miteinander kombinieren. Zu den Abos zählen das GA und Verbundabos.
Die Daten zu den Personengruppen stammen aus der sogenannten Synthetischen Population (SynPop). Die SynPop kombiniert Eigenschaften der Bevölkerung wie beispielsweise Alter, Geschlecht, Bildungsstand, Einkommen, Anzahl Personen im Haushalt, Besitz von Autos und ÖV-Abos aus verschiedenen Datenquellen so, dass sie die Schweizer Bevölkerung abbildet. Die SynPop ist geo-codiert, das bedeutet, die Daten sind geographischen Punkten zugeordnet. Das NPVM nutzt die SynPop-Daten pro Verkehrszone.
Wie lang ein Weg ist und welches Verkehrsmittel Personen auswählen, hängt unter anderem vom konkreten Zweck der Fahrt ab. Das NPVM unterscheidet zwischen Einkaufswegen für den täglichen oder längerfristigen Bedarf und zwischen Freizeitwegen bis zu 10 km Entfernung oder länger. Der Weg zum wöchentlichen Lebensmitteleinkauf ist typischerweise kürzer als der Weg zum Einkauf von Möbeln. Der Weg zum nahegelegenen Park wird eher zu Fuss oder mit dem Velo zurückgelegt, der Weg ins Sportstadion eher mit dem Auto oder dem ÖV.
Für mehr Information zu den Differenzierungen, siehe den Schlussbericht des NPVM 2017.
Angebot
Das in das NPVM integrierte Strassennetz enthält alle für den Verkehr relevanten Strassenabschnitte und deren Kapazitäten. Zu jeder Strecke sind alle relevanten Informationen verfügbar, etwa der Strassentyp, die Anzahl Fahrspuren, die Geschwindigkeit ohne Stau und zugelassene Fahrzeugtypen. Basierend auf der vorhandenen Kapazität und dem Verkehrsaufkommen berechnet das NPVM die Fahrzeit.
Das Velonetz basiert auf dem Strassennetz und enthält ergänzende Informationen, ob die Strecken grössere Höhenunterschiede oder eine starke Verkehrsbelastung aufweisen, was die Strecken weniger attraktiv für den Veloverkehr macht.
Der ÖV ist durch die vollständigen Fahrpläne, beispielsweise für die halbstündlichen Intercity-Züge zwischen den grossen Städten, für Luftseilbahnen, Überlandbusse und die städtischen Trams abgebildet. Stark ausgelastete Zugverbindungen auf den Hauptachsen führen zu Komforteinbussen bei den Reisenden und machen so Alternativen wie beispielsweise einen Umstieg auf das Auto wahrscheinlicher.
Das NPVM verwendet sogenannte Anbindungen um die Verknüpfung zwischen den Verkehrszonen und dem Strassennetz sowie ÖV-Haltestellen herzustellen. Die Anbindungen sind wie Ein- und Ausgänge des Netzes. Um die Verkehrsströme innerhalb einer Verkehrszone besser zu verteilen, verfügt jede Verkehrszone über mehrere Anbindungen. Diese werden automatisch an den Orten generiert, an denen es die meisten Arbeitsplätze oder Wohnungen gibt.
Für mehr Information zu den Strassen- und Velonetzen oder zum ÖV-Angebot, siehe den Schlussbericht «NPVM 2017: Zonenstruktur und Verkehrsnetze» sowie den Schlussbericht «NPVM 2023: Aktualisierung».
Kalibrierung mit Zähldaten
Verkehrsämter und ÖV-Unternehmen führen regelmässig Messungen auf den Strassen und in den öffentlichen Verkehrsmitteln durch. Die Daten werden in einer Datenbank so aufbereitet, dass sie vergleichbar sind, und werden den Strecken des Transportnetzes zugewiesen. Sie dienen dazu, das NPVM an den beobachteten Fahrten zu eichen. Damit können die Modellexperten sicherstellen, dass das NPVM die heutige Verkehrssituation gut abbildet.
Für das NPVM 2023 wurden ÖV-Zähldaten von mehr als 20 000 Streckenzählstellen und 1000 Bahnhöfen genutzt. Der ÖV ist somit sehr gut abgedeckt. Für das Strassennetz stehen über 4500 Zählstellen zur Verfügung, für das Velonetz hingegen nur 366. Das Nationalstrassennetz ist sehr gut abgedeckt, die des nachgeordneten Netzes indes unterschiedlich gut. Einige Kantone verfügen über zahlreiche permanente Zählstellen, während andere nur wenige nutzen. Das ARE empfiehlt Anwenderinnen und Anwender des NPVM deshalb, die Resultate in Räumen mit schwacher Abdeckung vorsichtig zu interpretieren. Allgemein sollen bei lokalen Analysen zusätzliche Zählwerte beschafft, integrieret und das Modell je nach Situation neu geeicht werden.
Für mehr Information dazu, siehe den Schlussbericht «NPVM 2023: Aktualisierung».
Belastungen des Strassen- und Bahnnetzes
Die vom NPVM berechneten Belastungen des Strassen- und Bahnnetzes können auf map.geo.admin.ch visualisiert oder als Geodaten herunterladen werden. Die Belastungen sind für den durchschnittlichen Verkehr an Werktagen (Montag-Freitag, DWV), den durchschnittlichen Tagesverkehr (Montag-Sonntag, DTV) sowie die morgendlichen (7-8h) und abendlichen (17-18h) Spitzenstunden verfügbar. Die Anzahl Fahrzeuge des Güterverkehrs sind separat ausgewiesen (Lieferwagen, Lastwagen, Lastzüge). Bei den Belastungen des durchschnittlichen Tagesverkehrs werden Motorräder von den Personenwagen unterschieden, um differenzierte Lärmberechnungen zu ermöglichen.
Verkehrskennzahlen
Das NPVM bietet viele Möglichkeiten, um Kennzahlen zu berechnen. Resultate wie die Anzahl Wege, die zurückgelegten Personenkilometer oder der Modal-Split können nach beliebigen Gebietseinheiten (national, kantonal, Gemeinden) erstellt werden.
Modalsplit der Verkehrsleistung
Die Grafik zeigt den Modalsplit der Verkehrsleistung in einem Kantonsgebiet und in der Schweiz. Der Modalsplit gibt den prozentualen Anteil eines Verkehrsmittels an den zurückgelegten Kilometern an. Die Verkehrsleistung wird in Personenkilometern (Pkm) angegeben.
