In den nächsten 30 Jahren wächst im Szenario «Basis» der Verkehr weniger stark als es der Anstieg der Bevölkerung vermuten liesse. Zum einen reduziert die demographische Alterung den Anteil der mobilen Arbeitsbevölkerung. Zum anderen führt die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung dazu, dass wir weniger Wege zurücklegen, um zur Arbeit zu gehen oder zum Einkaufen als heute. Dafür sind wir mehr in der Freizeit unterwegs.
- Verkehrsleistung wächst im Vergleich zur Bevölkerung unterproportional
- Anteil von ÖV, Fuss- und Veloverkehr an der Verkehrsleistung verschiebt sich
- Wichtige Änderungen im Mobilitätsverhalten ab den 2030er Jahren
- Automatisierte Fahrzeuge und On-Demand-Verkehr etablieren sich
- Aus- und Belastungen im Strassennetz und ÖV bleiben hoch
- Weniger Arbeitswege, mehr Freizeitverkehr
- Veränderung der Wegelängen
- Regionalisierte Verkehrsentwicklung für die Schweiz
Zentrale Ergebnisse zum Personenverkehr beziehen sich auf die Verkehrsleistung. Sie wird in Personenkilometern (Pkm) pro Jahr angegeben. Dabei ergibt eine 10 km lange Fahrt einer Person in einem Auto einen Wert von 10 Pkm, während die gleiche Fahrt von zwei Personen, gemeinsam und im gleichen Auto, einen Wert von 20 Pkm ergibt. Bei der Beschreibung der Ergebnisse steht das Szenario «Basis» im Fokus.
Verkehrsleistung wächst im Vergleich zur Bevölkerung unterproportional
Im Zeitraum von 2017 bis 2050 wächst die Bevölkerung um circa 21 Prozent. Gleichzeitig steigt die Verkehrsleistung im Szenario «Basis» um 11 Prozent, wächst also im Vergleich zur Bevölkerung unterproportional. Zum Vergleich: Im Zeitraum 2010 bis 2019 wuchs die Bevölkerung um 9 Prozent, während die Verkehrsleistung mit einem Wachstum von 13 Prozent zunahm. Ein Grund dafür ist, dass das Durchschnittsalter der Bevölkerung steigt und somit der Anteil der Erwerbstätigen an der Gesamtbevölkerung abnimmt.
Deutlich wird das unterproportionale Verkehrswachstum besonders dann, wenn man nicht die Verkehrsleistung aller Verkehrsarten, sondern nur der Personenwagen betrachtet: Sie steigt im Szenario «Basis» um nur 3 Prozent. Das heisst: Obwohl in der Schweiz 2050 mehr Menschen leben werden, nimmt der Autoverkehr im Vergleich zu heute nur wenig zu. Die Anzahl der Fahrzeugkilometer bleibt in etwa auf heutigem Niveau. Ein Grund für die stagnierenden Fahrzeugkilometer ist, dass im Mittel mehr Personen in einem Fahrzeug unterwegs sein werden.
Im Gegensatz dazu nehmen die Verkehrsleistungen des öffentlichen Verkehrs mit 29 Prozent und die des Velos mit 97 Prozent deutlich zu. Die Distanzen, die wir pro Weg mit diesen Verkehrsmitteln zurücklegen, werden länger. Vor allem für Wege über lange Distanzen wird in Zukunft noch stärker der öffentliche Verkehr genutzt. Im Fussverkehr zeigt sich über alle Szenarien eine hohe Konstanz der mittleren Distanzen.
Im Szenario «Weiter-Wie-Bisher» (WWB) entwickelt sich die Verkehrsleistung der Personenwagen im Gleichschritt mit dem Bevölkerungswachstum. Die grösste Zunahme der Fahrzeugkilometer findet im Szenario «Individualisierte Gesellschaft» (ITG) mit 22 Prozent statt.
Anteil von ÖV, Fuss- und Veloverkehr an der Verkehrsleistung verschiebt sich
Der Modal-Split wird berechnet als prozentualer Anteil der Verkehrsmittel an der Verkehrsleistung. Hier gewinnt der öffentliche Verkehr 3,4 Prozentpunkte im Szenario «Basis» dazu. Das Velo erhöht seinen Anteil um 1,7 Prozentpunkte, während die Nutzung der Personenwagen um 5,4 Prozentpunkte zurückgeht. Trotz des Rückgangs der Personenwagennutzung, werden auch im Jahr 2050 im Szenario «Basis» 2 von 3 Kilometern mit dem Auto zurückgelegt. Einzig im Szenario «Individualisierte Gesellschaft» (ITG) gewinnen die Personenwagen Anteile an der Verkehrsleistung gegenüber heute hinzu.
Wichtige Änderungen im Mobilitätsverhalten ab den 2030er Jahren
Die Szenarien «Basis» und «Nachhaltige Gesellschaft» (NTG) gehen davon aus, dass die Nutzung des eigenen Autos im Vergleich zum öffentlichen Verkehr ab etwa 2035 teurer wird. Dies weil Massnahmen implementiert werden, welche die externen Kosten für die Nutzung eines eigenen Autos berücksichtigen, und weil gleichzeitig die Bereitschaft für Subventionen im öffentlichen Verkehr steigt.
Unter anderem aufgrund der erhöhten Kosten für die Nutzung der Personenwagen, werden in den Szenarien «Basis» und «Nachhaltige Gesellschaft» (NTG) vermehrt kleinere Autos gekauft. Der Anteil an mittelgrossen und grossen Personenwagen sinkt. Im Szenario «Individualisierte Gesellschaft» (ITG) hingegen verstärkt sich der Trend hin zu mittelgrossen und grossen Fahrzeugen.
Die Verkehrsperspektiven bilden, basierend auf den Energieperspektiven 2050+, eine ambitionierte Entwicklung im Bereich der Antriebe ab. Vor allem die hohe Durchdringung mit elektrisch angetriebenen Fahrzeugen im Szenario «Nachhaltige Gesellschaft» (NTG) reflektiert ein politisches Massnahmenbündel, welches für 2050 Netto-Null in Bezug auf die Treibhausgasemissionen anstrebt.
Automatisierte Fahrzeuge und On-Demand-Verkehr etablieren sich
Ab den Jahren 2035/2040 wird davon ausgegangen, dass ein Boom der hoch automatisierten Fahrzeuge einsetzt. Das sind Fahrzeuge, welche Fahrerinnen und Fahrern beim Spur-, Tempohalten und Bremsen assistieren oder ihnen das Fahren vollständig abnehmen. Der Anteil automatisierter Personenwagen wird in den Szenarien «Weiter-Wie-Bisher» (WWB) und «Basis» im Jahr 2040 auf etwa 6 Prozent, im Jahr 2050 auf 32 Prozent ansteigen.
Noch stärker wächst der Anteil bei den Lieferwagen und Nutzfahrzeugen: Hier geht man von 7 Prozent automatisierter Fahrzeuge im Jahr 2040 aus und 39 Prozent im Jahr 2050. Von einer noch höheren Durchdringung wird in den Szenarien «Nachhaltige Gesellschaft» (NTG) und «Individualisierte Gesellschaft» (ITG) ausgegangen.
In Zukunft könnten uns zunehmend sogenannte Rufbusse an unser Reiseziel bringen, die nur bei Bedarf verkehren. Auch für diese ist denkbar, dass Teile der Flotte nach 2035 autonom betrieben werden. Ihr Anteil ist im Szenario «Basis» 2050 zwar noch gering, allerdings mit zunehmendem Trend.
Aus- und Belastungen im Strassennetz und ÖV bleiben hoch
Im Szenario «Basis» steigt die Fahrleistung, wenn Personen- und Güterverkehr gesamthaft betrachtet werden. Dies jedoch nicht, weil sich die Menschen mehr im eigenen Auto bewegen, sondern weil der Strassengüterverkehr zunimmt. Es sind mehr Lieferwagen, Lastwagen, aber auch Last- und Sattelzüge unterwegs. Vor allem die Fahrleistung der Lieferwagen wächst mit 58 Prozent deutlich.
Dabei zeigt sich nur im Szenario «Nachhaltige Gesellschaft» (NTG) eine Entlastung für das Netz der Nationalstrassen. In allen anderen Szenarien nimmt deren Auslastung weiterhin zu. Die Auslastung an vielen Engpässen im Strassennetz bleibt hoch. Im Szenario «Basis» flacht das Wachstum der Fahrleistung ab 2035 ab. Dies unter anderem wegen der erwähnten Verteuerung der Personenwagennutzung ab 2035.
Im öffentlichen Verkehr steigen die Passagierzahlen bis 2050 durchgängig, mit Ausnahme einiger Strecken im Szenario «Individualisierte Gesellschaft» (ITG). Für die dazu notwendigen Kapazitäten sorgen die in den Verkehrsperspektiven hinterlegten Ausbauschritte des öffentlichen Verkehrs. Der Schienenverkehr, der vor allem für längere Wege genutzt wird, entwickelt sich dabei dynamischer als der öffentliche Nahverkehr.
Weniger Arbeitswege, mehr Freizeitverkehr
Die Menschen machen weniger Arbeits- und Einkaufswege, dafür aber mehr Freizeitwege. Ein wichtiger Grund dafür ist die Digitalisierung. So fällt zum Beispiel bei einem geschäftlichen Termin dank Videokonferenz keine 100-Kilometer-lange-Fahrt mehr an und es bleibt mehr Zeit für einen Abendspaziergang zu Fuss. Die Verkehrsperspektiven gehen davon aus, dass sich das Homeoffice verstetigen wird. Im Szenario «Basis» verbringen Erwerbstätige, denen ein Arbeiten im Homeoffice möglich ist, im Jahr 2050 die Hälfte ihrer Arbeitszeit dort. Dies führt zu 13 Prozent weniger Arbeitswegen als heute, trotz der Zunahme an Erwerbstätigen.
Einkaufswege werden in allen Szenarien vermehrt durch Onlineshopping ersetzt, was sich in einer Zunahme der Lieferwagenfahrten niederschlägt. Die eingesparten Einkaufs- und Arbeitswege werden kompensiert, indem die Menschen mehr Freizeitwege machen. Diese sind meist kürzer und werden deswegen eher zu Fuss oder mit dem Velo zurückgelegt. Die Anzahl der Wege, die eine Person am Tag zurücklegt, ändert sich zwischen den Szenarien nicht drastisch.
Veränderung der Wegelängen
In allen Szenarien nehmen die Annahmen und Entwicklungen Einfluss darauf, welche Distanzen wir in Zukunft zurücklegen: So bestimmt etwa die Raumstruktur die Entfernungen zwischen Wohnorten und Orten zum Arbeiten, Einkaufen oder für Freizeitaktivitäten. Diese Entfernungen ändern sich zwischen den Szenarien.
Im Szenario «Basis» werden mit Velos und vor allem E-Bikes längere Distanzen zurückgelegt. Für lange Wege nutzen Verkehrsteilnehmende ausserdem vorzugsweise den Zug. Dies weil Züge nicht durch Stau verlangsamt werden und weil Zugfahren den Reisenden Zeit für andere Tätigkeiten als das Fahren lässt.
Einzig im Szenario «Individualisierte Gesellschaft» (ITG) zeigt sich ein abweichendes Bild: Die dem Szenario unterstellte starke Zersiedlung, auch von Arbeitsplätzen, begünstigt mitunter kürzere Wege zwischen Wohn- und Arbeitsorten in der Fläche. Zudem wird der öffentliche Verkehr in diesem Szenario auf lange Distanzen deutlich teurer, da er weniger subventioniert wird. Daher suchen die Menschen vermehrt Ziele in kürzerer Distanz auf.
Regionalisierte Verkehrsentwicklung für die Schweiz
Die Verkehrsperspektiven erlauben räumlich differenzierte Aussagen zur Verkehrsentwicklung. Das eingesetzte Modell im Personenverkehr ermittelt die Anzahl der Wege, die je Verkehrsmittel zurückgelegt werden, auf der Ebene von fast 8’000 Verkehrszonen für die Schweiz. Viele Ergebnisse lassen sich zusammenfassen und für die Kantone darstellen.
Mit Blick auf die Wegeaufkommen wird die Bedeutung des Fussverkehrs deutlich. Im Jahr 2050 wird, wie heute, jeder dritte Weg in der Schweiz ein Fussweg sein. Unterschiede zeigen sich dabei zwischen eher ländlich und eher städtisch geprägten Kantonen. So werden in eher ländlichen Kantonen, wie Appenzell Ausserrhoden oder Uri, über 20 Prozent aller Wege zu Fuss realisiert werden, während dies in eher städtischen Kantonen, wie Basel-Stadt und Genf, bis zu 50 Prozent sein werden. Ausserdem legen die Menschen in eher städtisch geprägten Kantonen überdurchschnittlich viel Wege mit dem öffentlichen Verkehr zurück.
Im Schweizer Durchschnitt verstärken sich im Szenario «Basis» diese Trends im Vergleich zu heute: Es werden mehr Wege zu Fuss, mit dem Velo oder dem öffentlichen Verkehr realisiert.
Die Verkehrsbelastungen pro Segment der Schienen- und Strassennetzen sind als Karten auf dem Geoportal des Bundes verfügbar.»