Thomas Kappeler, Leiter der Sektion Recht im ARE, über die Stärken der jüngsten Teilrevision des Raumplanungsgesetzes – und über die Kritik daran.
Thomas Kappeler, neun Jahre hat es gedauert, bis die Teilrevision im letzten September endlich gelang. Und sofort hagelte es Kritik von verschiedenen Seiten. Ist die Revision missraten?
Nein, es ist eine gelungene Revision. Beide Räte haben die Vorlage in der Schlussabstimmung einstimmig angenommen. Die kritisierten Punkte werden dramatisiert. Ich habe den Eindruck, dass mehr in das Gesetz hineininterpretiert wird, als wirklich drinsteht.
Zum Beispiel?
In der Kritik steht zum Beispiel die Bestimmung, dass man nicht mehr gebrauchte landwirtschaftliche Gebäude neu zu Wohnzwecken umnutzen kann. Doch diese Bestimmung gilt nur im Rahmen des sogenannten Gebietsansatzes. Der Kanton kann zu diesem Zweck Sondernutzungszonen festlegen, beispielsweise um traditionelle Kulturlandschaften weiterzuentwickeln. Dort, und nur dort, sind dann solche Umnutzungen ausserhalb der Bauzonen unter gewissen Bedingungen möglich. Zudem gilt auch hier das Zweitwohnungsgesetz. Wenn eine Gemeinde einen Zweitwohnungsanteil von 20 Prozent überschreitet, ist der Bau von zusätzlichen Ferienwohnungen nicht möglich. Die Kritik an dieser Bestimmung ist ein Sturm im Wasserglas. Der Gebietsansatz ist eine Stärke dieser Revision.
Inwiefern?
Bisher gab es die Tendenz, bei jedem neuen Bedürfnis eine weitere Ausnahmereglung ins Gesetz zu schreiben, die dann für die ganze Schweiz galt. Jetzt haben wir ein Planungsinstrument, um für klar definierte Gebiete massgeschneiderte Lösungen für kantonale und regionale Besonderheiten zu finden.
Kritiker sagen, solche Bestimmungen schwächen den Trennungsgrundsatz, also die Trennung von Baugebiet und Nicht-Baugebiet. Dabei war es doch das wichtigste Ziel der Revision, diesen Grundsatz zu stärken.
Er wird auch gestärkt. Der Trennungsgrundsatz wird jetzt ergänzt durch ein Stabilisierungsziel. Das bringt eine Messbarkeit für die Entwicklung des Bauens ausserhalb der Bauzonen, die wir heute nicht haben. Diese Entwicklung wird neu am Gebäudebestand und an der versiegelten Bodenfläche vom 29. September 2023 gemessen. Wir haben also eine klare Bezugsgrösse. Erreichen die Kantone diese Stabilisierung nicht, müssen sie Massnahmen ergreifen.
Das Parlament hat aber beschlossen, dass dieser Baubestand noch um einen gewissen Umfang wachsen darf.
Das Parlament hat bewusst von einer Stabilisierung der Entwicklung und nicht von einer Plafonierung gesprochen. Eine minimale Flexibilität soll also noch möglich sein. Die Hauptsache ist aber: Das Bauen ausserhalb der Bauzonen erhält eine weitere wichtige Schranke.
Eines der beeindruckenderen Gebäude ausserhalb der Bauzone: Das Gipfelrestaurant des Architekturbüros Herzog & de Meuron mit Seilbahnanschluss auf dem Chäserrugg im Toggenburg (Kanton Sankt Gallen).
Was sind die grossen Brocken in der Umsetzung? Einerseits das Stabilisierungsziel und den Gebietsansatz zu konkretisieren. Andererseits die beschlossenen Abbruchprämie für Gebäude ausserhalb der Bauzonen zu finanzieren. Wir gehen davon aus, dass jährlich 1000 bis 2000 Gebäude abgebrochen werden. Die Kosten pro Abbruch belaufen sich im Schnitt auf 20 000 bis 30 000 Franken. Daraus ergeben sich Abbruchkosten von insgesamt 20 bis 60 Millionen Franken pro Jahr. Die Frage ist, wie finanziert man das?
Laut Gesetz kann der Bund hier einen Beitrag leisten.
Es wird nur funktionieren, wenn der Bund substanziell mithilft. Wir sind daran abzuklären, welche bestehenden Mittel man nutzen könnte. Aber der andere Teil muss von den Kantonen kommen. Das wird für einige nicht einfach sein.
Auf die Kantone kommt ohnehin einiges zu. Sie müssen auch die Stabilisierungsstrategie ausarbeiten.
Das ist eine Pionierarbeit. Wir vom ARE bereiten einen Leitfaden als Hilfestellung vor. Auch auf den Bund warten neue Aufgaben. Wir müssen die Strategien genehmigen und kontrollieren, ob die Stabilisierung tatsächlich gelingt. Wenn das nicht der Fall ist, müssen Sanktionen greifen. Auch da gibt es auf Verordnungsstufe noch einiges zu klären.
Gibt es weitere Knackpunkte bei der Umsetzung?
Das Parlament hat ganz am Schluss noch verschiedene Bestimmungen zu erneuerbaren Energien ausserhalb der Bauzonen ins Gesetz aufgenommen. Neu wird etwa möglich sein, in wenig empfindlichen Gebieten unter bestimmten Voraussetzungen Anlagen zur gewerblichen Biomassenutzung und zur Methanisierung zu bauen. Dazu braucht es in der Verordnung noch Ausführungsbestimmungen.
In die Kritik geraten ist auch die Erweiterung für altrechtliche Gast- und Beherbergungsbetriebe. Wieso brauchen Restaurants und Hotels mehr Möglichkeiten, sich ausserhalb der Bauzone zu erweitern?
Heute haben altrechtliche Gewerbebetriebe ausserhalb der Bauzonen generell eine gewisse Entwicklungsmöglichkeit. Für die meisten Betriebe reicht das. Für Restaurants und Hotels können die heutigen Möglichkeiten aber zu eng sein, um den Betrieb zu modernisieren. Eine Lösung dafür ist eigentlich der Gebietsansatz. Das Parlament hat aber zusätzlich Spezialregelungen für solche Betriebe beschlossen. Künftig können sich also Hotels und Restaurants ausserhalb der Bauzonen wesentlich stärker weiterentwickeln, ohne dass dabei ein Planungsverfahren samt Mitwirkung der Bevölkerung nötig ist. Eine Baubewilligung reicht.
Neu im Gesetz geregelt sind auch Massnahmen zum Vorgehen gegen illegales Bauen.
Das ist eine weitere Stärke der Revision. Die zuständigen Behörden werden neu verpflichtet, erstens ein Nutzungsverbot zu verfügen, wenn eine illegale Nutzung vorliegt. Das ist ein wirkungsvolles Instrument: Wer sein illegales Gebäude nicht nutzen kann, verliert schnell das Interesse daran. Zweitens kommt es heute noch oft vor, dass Gemeindebehörden zu entscheiden haben, ob sie bei illegalen Bauten auf die Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands ganz oder teilweise verzichten. Diese heikle Aufgabe wird künftig nicht mehr den Gemeinden überlassen. Das Gesetz sieht deshalb vor, dass bei einem Verzicht auf eine Wiederherstellung neu der Kanton zustimmen muss.
Wann tritt das Gesetz in Kraft?
Die Vernehmlassung zur Verordnung ist für diesen Sommer geplant. Gesetz und Verordnung können dann voraussichtlich im Sommer 2025 in Kraft treten.
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